Beller Kirche - Mysterium am Wegesrand

Die Flachsdarre in der Beller Kirche

Seit ewigen Zeiten kursieren Mythen und Geschichten um einen unterirdischen Gang von der Beller Kirche zum Dorfe Eckelsheim und zum Klosterhof hin. Und von silbernen Glocken, die vergraben liegen sollen, ist die Rede. Auch eine längst verschollene und vergessene Krypta unter der Beller Kirche wäre denkbar. Entsprechend groß war die Spannung, als im Sommer 2002 bei der Vorbereitung zum Wein-Intermezzo einige Eisenstangen in Hohlräumen im Boden versanken. Im Kreis der Beteiligten wurde Stillschweigen vereinbart, um über die weiteren Schritte nachzudenken.

Nach langen Verhandlungen über die Priorität begann das Landesamt für archäologische Denkmalpflege im Frühjahr 2004 mit der Grabung. Zutage kam, wie man heute weiß, eine Flachsdarre aus dem 18. oder 19. Jahrhundert. Eine Anlage also, in der Rauch von einem Feuer in einem ca. 4m langen Kanal zu einem Gitterrost gelenkt wurde, auf dem dann Flachs- und Hanfpflanzen getrocknet wurden.

Im Jahr 1934 war der Anbau und die Aufbereitung von Flachs und Hanf schon eine verschwindende Erinnerung:

Die Leineweberei in Siefersheim und Eckelsheim

Noch vor 50 Jahren blühte in unseren Orten dies Gewerbe, von welchem wir Jüngeren nichts mehr wissen. Sechs Webstühle […] versorgten Siefersheim und Umgebung mit der damals so begehrten Leinwand. Zu Eckelsheim wurde ebenfalls in drei Familien die Leineweberei betrieben. […] Hanftuch nannten unsere Großeltern das daselbst gemachte Gewebe, weil es aus den gesponnenen Fäden des Hanfes gefertigt wurde.

Vor einem halben Jahrhundert konnte man noch sehen, wie das lodernde Gold des blühenden Hanfes aus dem bunten Teppich unserer Gemarkung hervorleuchtete. Zu Siefersheim waren damals weite Flächen im Ried und in den Sauerwiesen mit ihm bestellt. Zu Eckelsheim ward er westlich vom Ort am Heuweg, in den Hochwiesen, am Klauer angepflanzt. Brauchte er doch zu seinem Wachstum fruchtbaren und feuchten Boden. Im Frühjahr wurde der Hanf gesät und bald keimte und grünte er. Kam der heiße Juli, so war aus dem zartgrünen Hanffeld ein wogendes, goldgelbblühendes Hanfmeer geworden, das an Höhe das Korn noch überragte. Bis zu zwei Meter hoch wurden die fingerdicken Hanfstengel, die ungefähr so weit auseinander standen wie heute die Gerstenhalme. Dabei hoben sich deutlich die traubenartig stehenden männnlichen Blüten von den kleineren kätzchenartig geordneten weiblichen ab.

Bevor noch die blinkende Sense das Korn niederlegte, wurde der Hanf geschnitten. Zuerst ward der männliche Hanf, auch Fimmel oder Femel genannt, ausgerupft oder gefemelt, wie man damals sagte. Er war nämlich früher reif als der weibliche. Danach wurde der letztere von fleißigen Frauenhänden mit der Sichel geschnitten. Acht Tage blieben die Hanfstengel auf dem Felde liegen, damit sie unter der heißen Sommersonne dörrten und die welken Samenbüschel abfielen.

Die dürren Hanfstengel wurden in die Brechkaut gefahren, die zu Eckelsheim in der Beller Kirche, zu Siefersheim auf dem Sandberg auf den Felsen war. Hier brannten in Gräben und Löchern helle Feuer, über die schwielige Hände die Stengel hielten, bis sie geröstet waren. Darauf wurde der Hanf auf der sogenannten Brechbank gebrochen. […]

Aus „Heimatgruß“, 1934